Am ersten Adventssonntag, dem 30. November 2025, verwandelt sich Potsdam in eine winterliche Erzähllandschaft — und zwar nicht nur auf den Weihnachtsmärkten, sondern auch in den warmen, duftenden Gewächshäusern des Botanischen Gartens Potsdam. Um 14 Uhr beginnt dort die traditionelle Kaminstunde mit Märchen für Kinder ab vier Jahren, begleitet von Eltern oder Großeltern. Kein lauter Marktgetümmel, kein überladener Weihnachtskitsch — nur ein kuscheliger Sitzkreis, das Knistern eines echten Kamins und die Stimme einer Erzählerin, die Geschichten aus alten Zeiten lebendig werden lässt. Die Veranstaltung kostet sechs Euro pro Person und erfordert Anmeldung, wie es auf botg-potsdam.de steht. Doch wer denkt, das sei die einzige Weihnachtsveranstaltung an diesem Tag, liegt falsch.
Ein Adventssonntag mit vielen Gesichtern
Während die Kleinen im Botanischen Garten auf die Geschichte vom kleinen Tannenbaum lauschen, öffnet in der Waschhaus-Arena der Akzeptanzmarkt seine Tore — ein ungewöhnlicher, fast schon provokanter Kontrast: Hier geht es nicht um Glühwein und Handwerk, sondern um Secondhand, Upcycling und lokale Initiativen, die zeigen, wie Weihnachten auch ohne Konsum überleben kann. Von 14 bis 22 Uhr strömen Familien, Studenten und Senioren durch die Hallen, tauschen Bücher, Spielzeug und Kleidung aus. Ein Ort, an dem die Wärme nicht vom Ofen kommt, sondern von der Gemeinschaft.
Und dann da draußen, in Potsdam-Babelsberg, der Böhmische Weihnachtsmarkt. Er ist an diesem Tag bereits am dritten Tag seiner Laufzeit — mit gebrannten Mandeln, Holzspielzeug und dem Duft von Zimtsternen, die nach Osteuropa riechen. Die Stände sind bunt, die Musik polnisch und tschechisch, und Kinder laufen mit Sternenlaternen durch die Gassen. Es ist kein Touristenmarkt, sondern ein kultureller Anker — ein Ort, an dem die alte Heimat in der neuen Stadt weiterlebt.
Der Potsdamer Weihnachtszauber: Ein Stadtprojekt mit Bühne
Der zentrale Anziehungspunkt bleibt aber der Potsdamer Weihnachtszauber, der vom 24. November bis zum 28. Dezember 2025 über mehrere Plätze in der Stadt zieht. Besonders bemerkenswert: zwei fest installierte Bühnen — nicht nur für Chöre und Tanzgruppen, sondern für echte Potsdamer Künstler:innen. Die Stadtkapelle Potsdam spielt am Luisenplatz, die Kinderoper aus der Universität Potsdam führt ein Adventsstück auf, und die Potsdamer Turmbläser treten jeden Adventssonntag um 17 Uhr am Alten Markt auf — traditionell, laut, berührend. Ein Klang, der durch die Stadt hallt, als würde die Geschichte selbst singen.
Die Stadt als Bühne: Von Holländischem Sinterklaas bis zum polnischen Sternenzauber
Potsdam ist kein Ort, der nur ein Weihnachtsfest feiert — es sind viele. Im Holländischen Viertel wird Sinterklaas mit Musik, Kniepertjes und Genever gefeiert, während im Potsdam-Grube am 29. November um 6 Uhr morgens ein Adventsmarkt startet — ja, richtig gelesen: um sechs Uhr. Wer da ist, trinkt heißen Kakao mit den Nachbarn, während die ersten Sonnenstrahlen über die Dächer kriechen. Es ist kein Markt, es ist eine Gemeinschaftszeit.
Und dann der polnische Weihnachtsmarkt — ein Ort, an dem man nicht nur Placki und Oscypek probiert, sondern auch die Legende vom Stern von Bethlehem hört, wie sie in den Dörfern Polens erzählt wird. Ein kleiner, aber tief berührender Moment, wenn eine ältere Frau aus Łódź einem Kind einen handgeschnitzten Stern in die Hand drückt und sagt: „Das bringt Glück.“
Was kommt noch? Die Adventswoche bis Weihnachten
Der erste Advent ist nur der Anfang. Am 13. Dezember lädt der Förderverein Pfingstberg e.V. auf das Schloss Belvedere zu einem Adventswochenende mit Kerzenlicht, Kinderliedern und Punsch aus Holzbechern ein. Und am 26. November, einen Tag vor dem ersten Advent, öffnen die Werkstätten im Oberlinhaus in Hermannswerder ihre Türen — ein kleiner, fast versteckter Markt, wo Handwerker aus der Region ihre Dinge verkaufen, ohne Werbung, ohne Marketing, nur mit Herz.
Die Kulturlandschaft von Potsdam in der Adventszeit ist ein Mosaik — böhmisches Kunsthandwerk trifft auf finnischen Glühwein, niederländische Traditionen auf polnische Sternenlieder. Es ist keine Einheitsweihnacht, sondern eine Stadt, die sich selbst erzählt. Und das ist es, was sie so besonders macht.
Was ist mit dem Botanischen Garten? Warum gerade dort?
Die Botanischer Garten Potsdam ist kein gewöhnlicher Ort. Die Schaugewächshäuser, mit ihren tropischen Pflanzen und warmen Luftströmen, sind wie eine Insel der Ruhe — ein Gegenpol zur Hektik der Märkte. Hier wird nicht verkauft, sondern erzählt. Die Veranstaltung wird auf der Website der Universität Potsdam als „Lesung“ klassifiziert — und das ist kein Zufall. Es ist Literatur, die lebendig wird. Ein Kind, das in der Wärme von Palmen und Farnen die Geschichte vom Wunderbaum hört, erlebt Weihnachten nicht als Konsum, sondern als Magie. Und das ist, was zählt.
Frequently Asked Questions
Wie melde ich mich für die Kaminstunde im Botanischen Garten an?
Anmeldungen erfolgen ausschließlich online über die Website des Botanischen Gartens Potsdam (botg-potsdam.de). Die Teilnehmerzahl ist begrenzt, da die Kaminstunde nur in einem begrenzten Raum stattfindet. Es gibt keine Abendkasse — die sechs Euro pro Person müssen im Voraus bezahlt werden. Kinder unter vier Jahren dürfen nicht teilnehmen, da die Geschichten für diese Altersgruppe zu lang und zu leise sind.
Warum gibt es so viele verschiedene Weihnachtsmärkte in Potsdam?
Potsdam ist eine Stadt mit starken kulturellen Wurzeln aus ganz Europa — von den Hugenotten über die Preußen bis zu den polnischen und tschechischen Migranten. Die Märkte spiegeln diese Vielfalt wider. Sie sind nicht Konkurrenten, sondern Ergänzungen. Jeder Markt erzählt eine andere Geschichte, und zusammen bilden sie ein Bild von Potsdam als Ort der Begegnung — nicht nur im Winter, sondern das ganze Jahr über.
Ist das Adventsturmblasen am Alten Markt für Kinder geeignet?
Ja, absolut. Die Potsdamer Turmbläser spielen traditionelle Adventslieder in sanfter, aber klarer Lautstärke — kein lauter Marsch, sondern eine stille, fast religiöse Melodie. Viele Familien kommen mit Decken und Thermoskannen, um am Alten Markt zu sitzen und zuzuhören. Es ist eine der wenigen Veranstaltungen, die ohne Werbung, ohne Musikboxen und ohne Kinderanimationen funktionieren — und trotzdem begeistert.
Was macht den Akzeptanzmarkt in der Waschhaus-Arena so besonders?
Er ist der einzige Weihnachtsmarkt in Potsdam, der keinen Verkauf im klassischen Sinne kennt — alles wird getauscht, verschenkt oder gegen kleine Spenden abgegeben. Keine Preisschilder, keine Kassen. Stattdessen gibt es eine „Geschenke-Ecke“, wo Leute ihre liebsten Kinderbücher oder Spielzeuge abgeben. Es ist ein Ort der Nachhaltigkeit — und ein stiller Protest gegen den Konsumdruck der Weihnachtszeit.
Warum beginnt der Adventsmarkt in Potsdam-Grube um 6 Uhr morgens?
Das ist eine alte Tradition aus dem Dorf, die seit den 1980er Jahren wiederbelebt wurde. Früher kamen die Bauern nach der Morgenarbeit, um sich mit Wurst, Brot und heißem Tee zu stärken. Heute ist es ein Moment der Stille, bevor die Stadt erwacht. Wer da ist, erlebt Potsdam so, wie es vor den Touristen und den Lichterketten war — ruhig, warm, menschlich.
Gibt es eine Möglichkeit, alle Veranstaltungen in einem Überblick zu finden?
Ja, die Stadt Potsdam veröffentlicht einen offiziellen Kalender auf potsdam.de/de/443-potsdamer-weihnachtszauber-2025, der alle Märkte, Lesungen und Musikveranstaltungen mit Zeiten und Orten auflistet. Allerdings fehlen dort manchmal kleinere, lokale Termine — wie der Markt in Grube oder die Werkstätten im Oberlinhaus. Deshalb lohnt es sich, auch lokale Facebook-Gruppen oder den Tagesspiegel zu checken.